Während unsere Curated Couture Kolumnistin Judith Bradl auf der heurigen  TEFAF in Maastricht, gesättigt von der enormen Dichte an herausragenden Kunstwerken, durch den Bereich  »Jewelry« schlendert, versetzt sie unerwartet ein dort ausgestelltes  Collier in Staunen. Ein Stück mit Seltenheitswert aus den Jahren 1970-71. Es besticht durch beeindruckende Saphire und Smaragde.

Die eingravierten Blumenmotive erinnern Judith an die Edelsteine, die einst in den prestige-trächtigen Sammlungen der Maharadschas aufbewahrt wurden. Smaragde wurden in indischen Schmuckstücken häufig verwendet, Saphire hingegen wesentlich seltener. Was steckt dahinter? Judith will mehr darüber in Erfahrung bringen.

Natacha Vassiltchikov, Deputy Director der Heritage-Kollektion des renommierten Juwelierhauses Van Cleef & Arpels (gegründet 1906), erklärt, dass diese äußerst zarten Steine eines der beliebtesten Themen von Van Cleef & Arpels verkörpern: die Natur. Wie die Gravuren, die Blätter in rundem Relief darstellen, ist auch die Fassung aus Gelbgold mit floralen Mustern verziert. Der mit einem großzügig gravierten Smaragd geschmückte Anhänger kann abgenommen und als Clip getragen werden. Dieses Collier, in dem sich ein reiches kulturelles Erbe und eine moderne Vision der Kreation harmonisch vereinen, veranschaulicht die bemerkenswerte Kreativität, die die Maison in den 1970er Jahren an den Tag legte.


Judith darf das Collier und die passenden Ohrringe nicht nur betrachten, sondern auch anprobieren und tiefer in die faszinierende Welt von historischen und zeitgenössischen Schmuckstücken eintauchen. Das Schmuckstück ist nicht nur ein reines Ausstellungsstück, sondern kann tatsächlich auch erworben werden. Natacha Vassiltchikov freut sich über das Interesse und erklärt weiter: »Bei der Heritage-Kollektion geht es darum, Schätze aus unserer Vergangenheit aufzuspüren und es zu ermöglichen, dass unsere Kund:innen sie heute tragen können. Wir kaufen sie zurück und bieten sie anschließend wieder zum Verkauf an.« Judith ist sichtlich beeindruckt davon, wie die Schmuckstücke aus den 20er, 30er, 40er Jahren die Zeitlosigkeit der Kreationen unterstreichen. »Selbstverständlich haben wir auch eine Sammlung, die unverkäuflich ist und immer wieder in internationalen Museumsausstellungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, um unsere Historie eindrucksvoll zu erzählen«, so Vassiltchikov und fährt fort: »Wenn man sich einige dieser Stücke aus der Vergangenheit ansieht, die großartige Innovationen beinhalten – wir waren immer dafür bekannt, eine sehr kreative, innovative Maison zu sein –, ist es schwer vorstellbar, dass wir auch heute noch innovativ sein können, aber wir sind es! Unser Designteam, das die Entwürfe für die neuen Kollektionen anfertigt, stöbert im Rahmen seiner Vorbereitungsarbeit gerne in den Archiven, um Inspirationen zu finden. Es kommt schon manchmal vor, dass sie ikonische Stücke neu interpretieren. Geschichte, Gegenwart und Zukunft gehen so Hand in Hand.«

Folglich scheint es auch kein Zufall zu sein, dass Van Cleef & Arpels diese besonderen Schmuckstücke im Rahmen einer Kunstmesse zeigt. »Unser Schmuck ist Kunst und die TEFAF ist für uns immer ein Schlüsselmoment, um dieses ganz besondere Erbe in einem kunstsinnigen Umfeld in Szene zu setzen, darüber zu sprechen und Par-allelen zur Gegenwart herzustellen«, freut sich Vassiltchikov und meint weiter: »Es gibt aber auch andere Beispiele, wie wir unsere Geschichte erlebbar machen. Ich erinnere mich an einen Muttertag in Dubai, der den Anlass bot, in unserer Boutique eine Ausstellung historischer Stücke zu organisieren. Großmütter, Mütter, Kinder und Enkelkinder wurden durch die Heritage-Kollektion geführt, professionell geschminkt und auf einem Familienfoto verewigt: Bewahrung der Familienwerte über Generationen.«

Mittlerweile haben Judith und Natacha Vassiltchikov in der gemütlichen Lounge im hinteren Bereich der Ausstellung Platz genommen und Nicolas Luchsinger, Heritage collection Director, ist dazu gekommen. Judith interessiert sich für die Prozesse der Recherche, um die historischen Stücke zu identifizieren. »Wir haben großes Glück, denn unsere Stücke sind nummeriert, archiviert und enthalten einen Code für den Herstellungsort. Manche werden im Pariser Atelier hergestellt, andere in New York. Es gibt eine Nummer und das NY für New York, ohne dieses stammt das Stück aus Paris. Unsere Archive wurden seit jeher akribisch geführt. Wir wissen, wann welches Stück verkauft wurde und an wen«, führt Luchsinger aus. Judith erfährt, dass Informationen im Archiv wunderbar über alphabetisch sortierte Nachnamen recherchiert werden können, eben auch nach berühmten Kunden wie beispielsweise Barbara Hutton, die sieben Ehemänner hatte. »Diese Akte ist umfangreicher und enthält auch dokumentierten Schriftverkehr«, verrät Luchsinger.

Während Judith weitere Schmuckstücke anprobiert, möchte sie auch noch etwas über das »Sammeln« von Schmuck in Erfahrung bringen und Nicolas Luchsinger erklärt: »Der Ansatz der Heritage-Kollektion besteht darin, dass unsere Kund:innen sie tragen sollen. Wenn man vom professionellen Sammeln spricht, dann sind es Spezialist:innen, die sehr fokussiert und pragmatisch vorgehen, im Sinne von: ‚Ich will dieses Stück aus exakt diesem Jahr.‘ Das ist nicht wirklich der Ansatz, den unsere Kund:innen verfolgen, sondern sie entscheiden sich für das, was ihnen gut steht. Es geht vor allem darum, verschiedene Stile zu sammeln oder Stücke nach unterschiedlichem Geschmack oder Phasen des Lebens.« Im Vordergrund steht Schmuck, der gefällt, zu einem passt oder als Zeichen der Verbundenheit einem geliebten Menschen geschenkt wird. Judith kommt bei diesem Thema Elizabeth Taylors abenteuerliches Liebesleben in den Sinn, das ihr in Summe, ohne gezielt zu sammeln, eine ordentliche Schmucksammlung einbrachte. Als Natacha Vassiltchikov zur Heritage-Kollektion von Van Cleef & Arpels kam, hatte sie auch die Vorstellung, dass es sich bei den Käufer:innen um ernsthafte Sammler:innen handeln würde, die wahrscheinlich älter und reifer sind, doch sie wurde eines besseren belehrt: »Wir haben die Wege unserer Kund:innen im Haus analysiert und festgestellt, dass fast 40 % der Käufer:innen unserer historischen Stücke auch moderne Schmuckstücke bei Van Cleef & Arpels kaufen. Es gibt also eine Menge Überschneidungen. Wir fördern das auch aktiv.

Dass ausgehend von der Vergangenheit das Interesse für das Neue geweckt werden kann, erscheint stimmig. »Und dann verlieben sich manchmal diejenigen, die noch nie etwas gekauft haben, in ein Stück aus der Heritage-Kollektion, ohne wirklich den Hintergrund zu kennen oder einen Sammleransatz zu haben. Wenn man die Geschichte dazu erzählt und die besondere Technik erklärt, dann verlieben sie sich meist noch inniger in das Stück. Es ist eine tiefere Ebene, die hinzukommt«, schwärmt Vassiltchikov. Judith überlässt die Schmuckstücke den »innig Verliebten« und stürzt sich wieder in das ästhetisch anspruchsvolle Treiben der TEFAF. Die Lust, sich intensiver mit den Kreationen von Van Cleef & Arpels auseinanderzusetzen, ist jedenfalls geweckt.