Licht senden in die Tiefe des menschlichen Herzens – des Künstlers Beruf!, betonte einst der deutsche Komponist, Musikkritiker und Dirigent Robert Schumann (1810–1856). Er drückte damit die Verantwortung eines Künstlers aus, emotionale Tiefe und Bedeutung zu entsenden. Gemälde, Skulpturen, Musik, Literatur, darstellende oder kulinarische Ausdrucksformen bieten eine Sprache, die über Worte hinausgeht. Diese können uns in Welten entführen, die uns fremd sind, oder uns dazu bringen, das Vertraute auf neue Weise zu betrachten und die Realität in vielfältigen Nuancen wahrzunehmen.

Seit 1789 – dem Jahr der französischen Revolution – herrscht in der Traube Tonbach der Geist der Genussrevolution. Dazu zählt seit einigen Jahren auch die bildende Kunst. Familie Finkbeiner führt das geschichtsträchtige 5-Sterne-Superior-Hotel im Schwarzwald in achter Generation. Für sie ist Luxus kein Selbstzweck – Luxus dient dem Genuss, der Entspannung, dem Ankommen.


Kunstkorridor im Haus Kohlwald

In Zusammenarbeit mit der Galerie Uli Lang erobert jedes Jahr ein abwechslungsreich kuratierter Kunstparkour die Flure, Lounge und Außenbereiche sowie die Epizentren der Kochkunst im sogenannten Stammhaus. Kunst hat die außergewöhnliche Fähigkeit, Räume zu transformieren und diesen eine neue Dimension zu verleihen, erklärt uns Renate Finkbeiner im Gespräch.

Galeristin Uli Lang ergänzt: Kunst geht über die bloße Ästhetik hinaus. Die Interaktion zwischen Kunst und Raum schafft hier in der Traube eine einzigartige Synergie. Finkbeiner hat selbst intensiv an der architektonischen Gestaltung des Neubaus mitgewirkt und freut sich über diesen kontinuierlichen Dialog: »Kunst kann den Fokus der Gäste und Mitarbeiter lenken, als Ankerpunkt dienen. Die Werke haben die Kraft, Emotionen hervorzurufen, die die Atmosphäre beeinflussen und eine tiefere Verbindung zwischen dem Raum und den Menschen herstellen, die diese bewohnen.« Uli Lang wählt die Positionen und einzelnen Werke mit Bedacht aus: »Es liegt mir am Herzen, in der Ausstellung Werke zu zeigen, die die Vorstellungskraft anregen und die Gäste dazu ermutigen, über konventionelle Grenzen hinauszudenken.«

Renate Finkbeiner ist überzeugt vom feinfühlig gewählten Programm der Galeristin: Künstlerische Ausdrucksformen stimulieren die Sinne und machen diese Behausung zu einem Ort, der neue Gedanken und Ideen gedeihen lässt. Das meine ich nicht nur metaphorisch, ich beobachte es tatsächlich.« Die Interaktion zwischen Kunst, Raum und Mensch schafft in der Traube Tonbach eine dynamische Beziehung. Die Familie Finkbeiner sieht diesen Aspekt als Teil des ganzheitlichen Genusses. Kunst kann Trost und Heilung bieten oder uns dazu inspirieren, aktiv zu werden.

Ich bin überzeugt davon, dass unsere Gäste solche Erfahrungen machen, bewusst oder unbewusst, so Renate Finkbeiner.

Dieser Austausch zwischen dem inneren Selbst und den äußeren Ausdrucksformen der Kunst hat das Potenzial zur Definition, wer wir sind und wie wir die Welt um uns herum wahrnehmen. Hierfür besonders empfänglich sind die Werke der Malerin Sabine Tress (*1968), die uns beim Rundgang in unterschiedlichen Formaten begegnen. In einem Text über die Künstlerin lüftet Autorin Sabine Elsa Müller deren »Geheimnis« und beschreibt dies wie folgt: »Ihr gestischer Malduktus rückt die Bilder in große Nähe zu einer Malereiauffassung, die den Malakt als eine Art natürlichen Prozess begreift. Bei diesem ist das malende Subjekt in der Lage, sich als Medium möglichst durchlässig zu machen, um ungefiltert und rein von äußeren Einflüssen das Innerste nach außen strömen zu lassen.« Es ist eine Form der Entäußerung, die sich auf den großflächigen abstrakten Leinwänden offenbart und sich scheinbar in den Raum greifend zu einer Bedeutung erhebt.


Gemälde von Sabine Tress im Stammhaus

Die sogenannten Wölkchen des Papierkünstlers Wilhelm Morat schweben transzendent an der Decke des Restaurants Schatzhauser. Schatzhauser ist der Name des guten Waldgeists aus dem berühmten Schwarzwaldmärchen Das Kalte Herz, der den Menschen Wünsche erfüllt. Die Materialität des Papiers zu verstehen und dieses selbst herzustellen, gehört für Wilhelm Morat zum künstlerischen Schaffensprozess. Dazu stellt er das Papier mit eigens dafür angebautem Flachs und Hanf in dessen Papiermühle her und erforscht die Materialeigenschaften des Naturfaserstoffes. Die Erkenntnisse setzt er gezielt für seine ästhetischen Absichten ein. Seine Arbeiten laden zum Träumen und Wünschen ein. Diese deuten – wie Flügel – die Vision des Unmöglichen an.


Schwebende Papierarbeiten von Willhelm Morat im Schatzhauser

Die wiederkehrende Konfrontation mit den Formen und Figuren des Bildhauers Götz Sambale (*1967) entlang der Ausstellung lenkt zu Momenten des Innehaltens – kleine Könige, die erhaben über allem thronen, und Formen aus Baumstämmen, die Leben, Wachstum, Stärke und Verbindung assoziieren lassen. Die Maserung und Farbe des Holzes verleihen jeder Form eine einzigartige Tiefe und Textur. Deren Präsenz bildet das physische und spirituelle Gleichgewicht unserer Welt.

Skulptur von Götz Sambale im Schatzhauser

Am Anfang war das Wort und nicht die Form, dies argumentieren im Kontrast dazu die Werke der konzeptionellen Künstlerin Barbara Reck-­Irmler (*1965). Die Werke inspirieren zur Kontem- plation über die Schöpfung, die Bedeutung von Wörtern und deren Rolle bei der Konstruktion von Bedeutung und Wissen. Seit ihrer Kindheit wird die Künstlerin von der Macht der Wörter und der Obsession der Arbeit mit Textilien verfolgt. Ihre gehäkelten, oft wandfüllenden Wortbilder werden inhaltlich von der Frage nach dem Hineingeworfensein der menschlichen Existenz in diese Welt und der Herausforderungen des Miteinanders getrieben. Das Sujet der informellen Redewendung BLA BLA weist auf eine oberflächliche und repetitive Kommunikation hin. Die dringende Notwendigkeit der Suche nach tieferen Bedeutungen und Sinn in Gesprächen, Ideen und Gedanken wird zum Subjekt.

Um das Tiefergraben für ein Verständnis der Nuancen und Zusammenhänge, die unser Verständnis der Welt formen, geht es auch in den textilen Bildern von Olga Jakobs. »An eine Idee an- knüpfen«, »beim Gespräch den Faden verlieren«, »einen Gedanken weiterspinnen«, »sich in Argumenten verstricken« – die Sprache ist voller Bilder von einer der ältesten menschlichen Kulturtechniken: dem Weben von Textilien. Mit keinem anderen Material ist der Mensch täglich so lange in Berührung. Die Künstlerin begreift das Textile als eine Weltsprache im globalen Kontext. Dinge verketten sich miteinander und werfen stetig neue Fragen auf. Dementspre- chend fordern die ausgestellten Werke zur Reflexion auf.

Textilarbeit von Olga Jakobs in der Lobby

Wer genießt, kostet die Zeit aus: Lebenszeit, die an diesem Ort vor der traumhaften Kulisse des Schwarzwalds umso bewusster verlebt wird und deren Begrenztheit den Menschen immer wieder einholt. Der Kreislauf der Natur beruht auf Entstehen und Vergehen. Sabine Effinger (*1963) zeichnet die Zeit. Pilze und Flechten – die naturwissenschaftliche Zeichnung dient ihr als sichtbarer Bezugsrahmen. Die Arbeiten entstehen aus der intensiven Auseinandersetzung mit den Naturgegenständen, die frei und dem natürlichen Umfeld entnommen auf dem Tisch liegen, der Beschau und der Zeit preisgegeben. Aus der Beobachtung der Details entwickeln sich die Blätter. Diese fassen die Wandlung der Objekte im zeitlichen Verlauf, sind gezeichnete Annäherung, Abbild zeichnen den Begreifens. In ihrer Präzision sind die Arbeiten das Ergebnis eines lang andauernden kontemplativen Prozesses.

Wie zusammengesetzte, kraftvolle Striche einer Zeichnung wirken auch die an der Wand hängenden Objekte der Künstlerin Sabine Straub (*1963). Sie ist vor allem für ihre zahlreichen Kunst-am-Bau«-Projekte und für die sakrale Kunst bekannt. Die »gezeichneten Linien sind Metall und wandern als Gesten wie eingefrorene Lichtspuren über Flächen, verdichten und überla- gern sich zu gewebeartigen Texturen.

Zwischen den überwiegend in Deutschland arbeitenden künstlerischen Positionen tauchen beim Rundgang immer wieder far- benfrohe Skulpturen und Wandobjekte des kalifornischen Künst- lers Brad Howe (*1959) auf. Seine Karriere als Bildhauer nahm in Brasilien ihren Anfang, beeinflusst von Alexander Calder. Monumentalkunst und ortsspezifische Werke für den öffentlichen Raum sind zu seinem Schwerpunkt geworden. »You can change the world with art«, davon ist der Künstler überzeugt. Seine fantasievollen Akzente aus Aluminium, Edelstahl und Polyurethan strahlen – unbestreitbar – selbstbewusste Positivität aus.

Kunstkorridor im Haus Kohlwald, u.a. mit Spiegelarbeiten von Brad Howe

Dass Kunst und die Auseinandersetzung mit dieser etwas verändern können, dafür gibt es in den Räumen der Traube Tonbach mittlerweile viele lebhafte Referenzen. Um dieses gemeinsame Tun im Zeichen der Kunst aktiv zu fördern, realisieren Renate Finkbeiner und Uli Lang dieses Jahr zum fünften Mal in Folge das etablierte Event Kunst trifft Kochkunst.

Zwischen dem 20. und dem 22. Oktober 2023 treffen sich Liebhaberinnen und Liebhaber der Kunst und Kulinarik, um ihre Sinne zu verwöhnen. Highlight des Programms ist die Matinee in Form einer Gesprächsrunde mit Galeristin Uli Lang und den ausstellenden Künstlerinnen und Künstlern. Die weit über die Landesgrenzen hinaus gerühmte Küche des Restaurants 1789 und der Schwarzwaldstube bereichern den Kunstgenuss mit deren kulinarischem Kunsthandwerk.

www.traube-tonbach.de