Verbrechen als Kunst? Über eine zeitgenössische Mentalität.

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Kunstmarkt ist auch Geldwäsche

Autor: Roland Benedikter

Vor 33 Jahren, 1989, genau am Ende des Ost-West-Konflikts und Beginn der heutigen Welt, sprach der Psychoanalytiker, Sozialphilosoph, Politikberater und »große alte Mann« der deutschen Friedensbewegung, Horst-Eberhard Richter, von der »hohen Kunst der Korruption«. Laut Richter benötigt der Korrupte ein geradezu artistisches Maß an Doppelbödigkeit, Um- und Neuinterpretationsfähigkeit. Er muss bewusst und umfassend verdrängen können, zugleich aber nichts vergessen. Das hilft ihm dabei, sich nicht mit seinem Verbrechen zu identifizieren und sich »in echt« für unschuldig zu halten, während er es weiterführt. Der Verbrecher-Künstler benötigt aber auch situative Deutungsbegabung und soziale Beweglichkeit. Zu seinen unabdingbaren Fähigkeiten gehören schließlich Schlauheit, Sprach- und Erinnerungskontrolle sowie allgemeine Manipulations- und Improvisationsfähigkeit. Das macht ihn zu einem inter- und transdisziplinären Künstler sui generis.

Am wichtigsten aber: der Korrupte benötigt eine bestimmte Psychologie, die eigentlich eine Weltanschauung ist oder auf Dauer zumindest in eine Weltanschauung mündet und auf sie gründet. Um seine oft jahrzehntelange Tätigkeit hinter dem Rücken der anderen vor sich selbst, seinem Umfeld und vertrauten Menschen zu ertragen, muss er sich, wie der Künstler, eine Welt zurechtlegen. Er muss die Welt für sich nach eigenem Bilde erschaffen, ständig neu wiedererzeugen und einrichten, um auch andere in diese Welt einzubinden. Und er muss vor allem an diese »zweite Welt« glauben und in ihr geradezu synästhetisch aufgehen – und zwar so sehr, dass er vor sich selbst nicht mehr lügt, sondern in einem eigenen kohärenten System lebt. Nur das erlaubt es ihm, einerseits mit sich selbst zu leben, andererseits nicht aufzufallen, während er sich kriminell bereichert ...