2.19 Experience

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Das Reifen neuer „Früchte“ durch EXPERIENCE

Welches war Ihr letztes Kunsterlebnis? Was berührt Sie? Welches Erlebnis hat Sie verändert? Was genau hat es bei Ihnen ausgelöst? Immer wieder haben wir in den vergangenen Monaten und Wochen hinterfragt, was ein Erlebnis, eine wesensverändernde Erfahrung ausmacht. Wie kann Kunst Erlebnisse schaffen? Wo findet man Erlebnis und Erfahrung im Umfeld der Kunst? Braucht es überhaupt erst die Erfahrung, um sich auf Erlebnisse einlassen zu können, oder ist es besser, frei von Erfahrungen zu sein? Dazu haben wir Ateliers und Ausstellungen besucht, uns hinter die Kulissen des Kunstbetriebs gewagt und klärende Gespräche mit ganz unterschiedlichen Persönlichkeiten geführt. Der Perspektivenwechsel ist es, der uns überhaupt erst neue Zugänge ermöglicht.

Die heurige Biennale in Venedig zeigt uns wieder, welche Bedeutung derzeit der Partizipation der Betrachter*innen im Kunsterlebnis zukommt. Es geht den Künstler*innen nicht mehr darum, etwas Fertiges zu entwickeln, sondern vielmehr etwas zu initiieren, einen Gedanken anzustoßen, der dann vom Publikum, vom Kollektiv bzw. vom einzelnen Individuum weitergesponnen werden kann. Das beste und wahrscheinlich eines der derzeit extremsten Beispiele ist Yoko Onos umfassender Gedankenanstoß im Museum der bildenden Künste in Leipzig. „Peace is Power“ nennt sich die Schau, in der auf die Macht des Friedens aufmerksam gemacht wird und ebenso stark darauf, dass wir alle für den Frieden mitverantwortlich sind, also jeder einzelne von uns − das bedeutet in erster Linie, dass man mit sich selbst im Frieden ist. Das Erlebnis in der Kunst ist also weit entfernt von oberflächlichem Entertainment oder reinem Interesse. Gelingt es ihr, unseren Geist, unsere Haltung zu vertiefen oder gar zu verändern, hat die Kunst ihren wahren Erlebnisbeitrag geleistet. Die Kunst soll’s also richten? Kunst kann die geistige Haltung unserer Gesellschaft verändern, die den Flow des Wohlbefindens aller Beteiligten mit einschließt − sie darf sich frei positionieren, darf politisch sein und darf auf Lösungen komplexer Herausforderungen hinweisen. Das macht das Kunstgeschehen aktuell auch extrem spannend.

Die Kunst kann die richtigen Menschen zusammenführen, Kreativität und ein positives Miteinander auf ihre ganz individuelle Art und Weise fördern und steigern. Dem Biennale-Titel „May You Live In Interesting Times“ können wir so einiges abgewinnen. Es geht schon lange nicht mehr um die Kunst der „-ismen“, es geht nicht um die eine oder andere Stilrichtung, das eine oder andere Medium, sondern vielmehr geht es in diesen Zeiten um den Ausdruck, die Veränderungskraft des Erlebnisses und das Reifen neuer „Früchte“ aus Erfahrungen. Wir möchten mit dieser Ausgabe Gedanken anstoßen, die Sie gerne weiterspinnen können. Wenn Sie dazu bereit sind, dürfen Sie auf schöne und verändernde Erlebnisse gespannt sein.