Usbekistan betritt die internationale Kunstbühne mit einer kraftvollen Erzählung über Identität und Zugehörigkeit. Das Ausstellungsprojekt »Don’t Miss the Cue« von Aziza Kadyri auf der 60. Biennale in Venedig verbindet traditionelle Kunstformen mit neuen Medien und lädt Besucher:innen ein, die komplexen Erfahrungen usbekischer Frauen im Kontext von Migration und Transformation zu erkunden.
Der usbekische Beitrag auf der 60. Internationale Kunstausstellung – La Biennale di Venezia ist in diesem Jahr Schauplatz eines einzigartigen künstlerischen Dialogs, der die Stimmen und Geschichten usbekischer Frauen in den Mittelpunkt stellt. Unter dem Titel »Don’t Miss the Cue« (zu Deutsch: »Verpasse deinen Einsatz nicht« ) präsentiert Usbekistan eine immersive Installation, die von der multidisziplinären Künstlerin Aziza Kadyri in Zusammenarbeit mit dem Qizlar-Kollektiv geschaffen wurde. Ursprünglich aus Usbekistan und jetzt in London ansässig, hat Kadyri zunächst Modedesign an der Tsinghua-Universität in Peking studiert und anschließend ein Masterstudium in Performance Design und Praxis am Central Saint Martins in London absolviert. Ihre Arbeiten beschäftigen sich mit den Themen Migration, Vertreibung, soziale Unsichtbarkeit, Identität und Sprache. Sie ist Mitbegründerin von Qizlar, einem basisorientierten Frauenkollektiv in Taschkent, Usbekistan. »Don’t Miss the Cue«, kuratiert vom Centre for Contemporary Art Tashkent, beleuchtet die komplexen Themen von Migration, Identität und Zugehörigkeit. Es ist eine tiefgründige Reflexion über die Erfahrungen zentralasiatischer Frauen.
Aziza Kadyri, bekannt für ihre Arbeiten im Bereich experimenteller Kostümkunst und Extended Reality (AR/VR), hat eine großformatige Installation entwickelt, die den gesamten Raum des usbekischen Pavillons einnimmt. Besucher:innen finden sich in einer spekulativen Theaterkulisse wieder, die Elemente des Backstage-Bereichs mit skulpturalen Objekten, Textilien und audiovisuellen Installationen vereint. Diese Umgebung lädt zur Selbstreflexion ein und spiegelt die reichen Realitäten des Lebens von Frauen im modernen Usbekistan wider, die ihre Traditionen bewahren und gleichzeitig einen ambitionierten Blick in die Zukunft richten.
Die Ausstellung knüpft an das Thema der diesjährigen Biennale »Stranieri Ovunque – Fremde Überall« an, das von Kurator Adriano Pedrosa vorgeschlagen wurde. Es wirft schwierige Fragen zu Zugehörigkeit und Identität auf: Wie definieren Menschen ihr Leben innerhalb ihrer Gemeinschaften? Und wie beeinflusst das Verständnis von Heimat, Familie und Nation unser Miteinander? In einem multikulturellen Land wie Usbekistan, das reich an diversen Gemeinschaften ist, haben diese Fragen eine besondere Relevanz.
Kadyri und das Qizlar-Kollektiv, ein Zusammenschluss weiblicher Künstlerinnen aus Taschkent, arbeiteten eng mit usbekischen Frauen zusammen, um ihre Migrationserfahrungen zu erforschen. Diese Geschichten dienten als Ausgangspunkt für die Fertigung von Skulpturen und audiovisuellen Werken, die die Besucher:innen in das komplexe Geflecht der Identitätsfindung und kulturellen Transformation eintauchen lassen. »Es ist äußerst wichtig, das Thema weibliche Identität zu beleuchten«, erklärt Anastasia Kurylova, die Leiterin des Qizlar-Kollektivs. »Die künstlerischen Bedeutungen, die in das Projekt eingeflossen sind, spiegeln sich sowohl in der Ausstellung als auch im begleitenden Katalog wider.«
Ein zentrales Element der Ausstellung ist die innovative Verbindung von traditioneller Kunst und moderner Technologie. Die typisch usbekische Stickerei »Suzane« wird durch künstliche Intelligenz neu interpretiert. Diese Kombination hinterfragt nicht nur traditionelle Muster, sondern beleuchtet auch die kulturellen Veränderungen in einer globalisierten Welt. Die anfänglich erkennbaren Muster der »Suzane« verlieren durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz ihre ursprüngliche Form und werden nahezu unidentifizierbar. Das fordert die Besucher:innen auf, über den Einfluss von Technologie auf Kultur und Identität nachzudenken. »Der digitale Raum wird zu unserem gemeinsamen Arbeitsplatz, der uns regional, national und global verbindet, trotz der unterschiedlichen Wege, die wir auf unseren individuellen Migrationsreisen gegangen sind«, so Aziza Kadyri.
Die Inszenierung selbst erinnert an die Kulturhäuser, die im frühen 20. Jahrhundert in ganz Eurasien als Gemeinschaftszentren dienten. Diese Räume, in denen nationale Identitäten geformt wurden, bieten den idealen Rahmen für eine Ausstellung, die sich intensiv mit den Themen Migration und kulturelle Identität auseinandersetzt. Besucher:innen betreten die Ausstellung durch einen labyrinthartigen Raum, der sie durch verschiedene Stadien des Migrationsprozesses führt. Sie durchqueren Vorhänge, hinter denen sich ein inszenierter Bühnenraum öffnet, in dem sie beobachtet werden, während sie selbst gleichzeitig die Rolle eines Beobachters einnehmen können.
Aziza Kadyri meint dazu: »Unser Projekt lädt die Besucher:innen ein, in die dekonstruierten Backstage-Bereiche eines Theaters einzutauchen, wo sie nicht nur die traditionellen und modernen Aspekte der usbekischen Kultur erleben, sondern auch ihre eigene Rolle in der globalen Migrationsgeschichte hinterfragen können.«
Mit »Don’t Miss the Cue« gelingt es Usbekistan, ein starkes künstlerisches Statement abzugeben, das die globale Kunstszene bereichert. Die Ausstellung ist eine Reflexion über Identität und Migration und zeigt, wie Kunst als Werkzeug dienen kann, um die Geschichten von Frauen in einer sich ständig wandelnden Welt zu erzählen.
Aktuelle Ausstellung:
Don’t Miss the Cue
Republic of Uzbekistan 60th International Art Exhibition – La Biennale di Venezia
Arsenale, Tese Cinquecentesche
Bis 24. November 2024
Dienstag–Sonntag 10–18 Uhr
www.acdf.uz