Interview mit Hubert Schmalix von Alfred Weidinger

Hubert Schmalix gehörte zu jener Künstlergruppe, die in den 1980er Jahren unter dem Namen »Neue Wilde« bekannt wurde und der auch Herbert Brandl, Siegfried Anzinger und Erwin Bohatsch angehörten. Für Schmalix, der unter anderem bei Max Melcher an der Akademie der bildenden Künste in Wien studierte, war die Figuration stets ein wesentliches Element seiner Arbeit – wobei er sich weniger auf den Bildinhalt als auf Farbe, Form und Oberfläche konzentrierte.

 

Hubert Schmalix in seinem Atelier in Los Angeles

 

Im Laufe der Jahrzehnte und bedingt durch seinen Umzug auf die Philip­pinen und nach Los Angeles ist ein Wandel von einem expressiv-gestischen zu einem kontemplativ-reduzierten Formenvokabular erkennbar. Neben zahl­reichen Frauenakten sind die leuchtenden Landschaften und die aus der Vo­gelperspektive in kontrastierenden Farbfeldern festgehaltenen kalifornischen Häuserzeilen die eindrucksvollsten Beispiele seines reifen Schaffens. Seine Motive verschmelzen Versatzstücke bukolischer Szenen wie Berge, Almhütten, Wasserfälle, rauschende Bäche und Treibholz zu gemalten Idyllen. Es ist die ständige Suche nach einem locus amoenus, einem lieblichen Ort, der nicht als existenzielle Perspektive, sondern als Metapher für das richtige Leben im fal­schen Leben dient. »Ich bin kein Maler, der Licht malt. Ich schaffe Licht durch Farbe. Das definiert Malerei«, sagt Hubert Schmalix über seine Kunst. »Man könnte auch sagen, ich schaffe ein Licht, das es in der Wirklichkeit nicht gibt.«

Der Sammler Helmut Fallmann und der Kunsthistoriker Alfred Weidinger haben den österreichischen Maler HUBERT SCHMALIX in seinem Atelier in Los Angeles besucht. Fallmann ist Unternehmer in der Informationstechnologie und hat als Techniker gelernt die Welt pragmatisch in plus und minus einzuteilen. Eine derartige Polarisierung reicht seiner Ansicht nach zur Gestaltung eines ausgewogenen Arbeitsumfeldes nicht aus. In seinem Unternehmen kompen­siert er dieses Vakuum mit Kunstwerken von Hubert Schmalix, anhand derer es gelingt komplexe Zusammenhänge zu erschließen und zu sinngebenden Lösungen zu verschränken. Dass der Sammler den Künstler entdeckte war kein Zufall. »Zeit meines Lebens begeistern mich die Naturwissenschaften, vor allem die Mathematik. Sie zu verstehen und anzuwenden setzt eine unbändige Neugier voraus. Diese Faszination teile ich mit Hubert, der von sich ebenfalls sagt, dass die stärkste künstlerische Triebfeder von Anfang an seine intensive Neugier war. Heute denke ich, dass diese Verbundenheit im Geiste mich so früh auf ihn aufmerksam werden ließ«, erklärt Fallmann und freut sich über das Wiedersehen im Atelier in LA. Grund für den Besuch ist ein Gespräch über die für den Herbst 2024 geplante Personale im Schlossmuseum Linz. Hubert Schmalix gewährt Kurator und Sammler Einblicke in seine künstlerische Praxis.

 

Ausstellungsansichten HUBERT SCHMALIX: © kunst-dokumentation.com / Manuel Carreon Lopez

 

ALFRED WEIDINGER: Könnten Sie uns Einblicke in Ihren künstlerischen Werde­gang geben? Wann und warum haben Sie sich entschieden, Künstler zu werden?

HUBERT SCHMALIX: Schon in meiner Kindheit spürte ich eine tiefe Ver­bundenheit zur Kunst. Ich war fasziniert von den Möglichkeiten, die sich mir durch das Zeichnen eröffneten. Bereits im Alter von fünf Jahren hatte ich eine klare Vision: Ich wollte Künstler werden. Diese frühe Entscheidung war von einer intensiven Neugier und einem starken Drang geprägt, mich kreativ aus­zudrücken. Mit der Zeit entwickelte sich diese Leidenschaft weiter und wurde zu einem zentralen Bestandteil meines Lebens.

In Ihrer Malerei spielt die Linie, die Kontur, eine besondere Rolle. Wann begann Ihre Hinwendung zu diesem Stilelement und was inspiriert Sie dabei?
HUBERT SCHMALIX: Die Linie hat in meiner Malerei eine ordnende Funk­tion. Sie ist für mich ein Instrument, um Klarheit und Struktur in meine Werke zu bringen. Meine Hinwendung zu diesem Stilelement begann früh in meiner künstlerischen Laufbahn. Ich wurde von der Fähigkeit der Linie inspiriert, eine Brücke zwischen Chaos und Ordnung zu schlagen. Sie hilft mir, die Balance zwischen Freiheit und Struktur in meinen Kompositionen zu finden.

Beim Betrachten Ihrer Bilder fällt eine Neigung zur ornamentalen Gestaltung auf. Können Sie uns mehr über die Bedeutung dieser Ornamente in Ihrer Arbeit erzählen, besonders in Bezug auf Motive wie Wasserfälle?
HUBERT SCHMALIX:
Die Ornamente in meinen Bildern sind für mich wie Musik – sie haben eine eigene Melodie, einen eigenen Rhythmus. Ich sehe in ihnen eine Verbindung zur Natur, insbesondere zu Elementen wie Wasserfäl­len. Die Art und Weise, wie Linien einen Bach oder Wasserfall imitieren können, spiegelt die dynamische und doch beruhigende Qualität der Natur wider. Diese spielerischen Elemente erlauben es mir, eine tiefere Ebene der künstlerischen Freiheit und Ausdruckskraft zu erreichen.

Ihre Vorliebe für komplexe und exotische Ornamente zeigt sich unter anderem in der Darstellung von Teppichen. Welche Bedeutung und Funktion haben Teppiche in Ihrer figuralen Malerei?
HUBERT SCHMALIX: Meine Faszination für Teppiche zeigt sich in ihrer komplexen Linearität, die mich immer wieder inspiriert. In meiner figuralen Malerei stelle ich oft einen Kontrast zwischen der Einfachheit der Figur und der Komplexität des Teppichs dar. Diese Teppiche – die ich auch sammle – bieten mir eine unerschöpfliche Quelle der Inspiration; vor allem durch ihre vielfältigen Muster und Designs, die ich in meine Werke integriere.

 

Ausstellungsansichten HUBERT SCHMALIX: © kunst-dokumentation.com / Manuel Carreon Lopez

Was bedeutet das Ornament für Sie persönlich und Ihre künstlerische Arbeit?
HUBERT SCHMALIX: Die Arbeit am Ornament ist für mich ein medita­tiver Prozess. Es ist eine Art der inneren Einkehr, bei der ich mich voll und ganz auf das Schaffen konzentrieren kann. Das Ornament birgt für mich ein Geheimnis, eine tiefe symbolische Bedeutung, die sich nicht sofort offenbart, sondern sich erst im Laufe des kreativen Prozesses entfaltet.

Ihre Verwendung von Wellpappenrahmen zur Nachahmung historischer Rah­men zeigt eine weitere Faszination für Ornamente. Wie entstand diese Idee und was wollten Sie damit erreichen?
HUBERT SCHMALIX: Die Idee zur Verwendung von Wellpappenrahmen entstand aus meinem Wunsch, mich von traditionellen Präsentationsfor­men zu lösen. Ich wollte den Rahmen nicht nur als Abschluss eines Bildes, sondern als integralen Bestandteil des Gesamtkunstwerks sehen. Mit der Verwendung von Wellpappe wollte ich die Konventionen infrage stellen und gleichzeitig den Rahmen mit einer gewissen Leichtigkeit und Ironie versehen.


Ihre Malerei ist für Farbflächen und starke Umrisse bekannt, ähnlich der Cloisonné-Technik. Gibt es direkte Verbindungen zu dieser Technik oder Ein­flüsse von Künstlern wie Paul Gauguin oder dem frühen Oskar Kokoschka in Ihrem Werk?
HUBERT SCHMALIX: Mein größter Einfluss kommt aus der Welt der Comics. Die Klarheit und Direktheit, die in Comics durch die Verwendung von flachen Farbflächen und starken Umrissen erreicht wird, hat mich tief beeindruckt und meine Maltechnik maßgeblich geprägt. Diese Elemente habe ich in meine eigene künstlerische Sprache integriert, um eine ähnlich starke visuelle Wirkung zu erzielen.

Farben lösen Emotionen aus. Das gleiche Bild kann in verschiedenen Farb­variationen unterschiedliche Zuwendung auslösen.
HUBERT SCHMALIX: Die Verwendung verschiedener Farbvarianten in meinen Bildreihen eröffnet eine Bandbreite emotionaler Ausdrucksfor­men. Farben haben die Kraft, unterschiedliche Stimmungen und Gefühle zu wecken. Indem ich dieselben Motive in verschiedenen Farbvariationen darstelle, lade ich den Betrachter ein, jede Version auf eine neue, emotio­nale Weise zu erleben.

Wie unterscheidet sich der Arbeitsprozess Ihrer Gemälde von dem Ihrer Gouachen? Gibt es spezifische Motive, die Sie ausschließlich als Gouache umsetzen? Und dienen Ihre Gouachen als Studien für Ihre Gemälde?
HUBERT SCHMALIX: Meine Gouachen und Gemälde entstehen oft par­allel, dennoch gibt es einen deutlichen Unterschied im Arbeitsprozess. Die Gouachen erlauben mir eine größere Freiheit und Spontaneität. Ich nutze diese, um Ideen schnell festzuhalten – oft in den Abendstunden in einer eher intimen Atmosphäre. Sie sind nicht nur Vorstudien, sondern stehen auch als eigenständige Werke neben meinen Gemälden.

Welche Rolle spielt die Größe eines Bildes in Ihrer künstlerischen Vision und Ausführung?
HUBERT SCHMALIX: Die Größe eines Bildes ist für die Art und Weise entscheidend, wie es wahrgenommen wird. Große Formate ermöglichen eine andere Art der Auseinandersetzung mit dem Motiv, sie können eine andere Wirkung und Intensität als kleinere Formate erzeugen. Die Wahl der Größe ist demnach ein wichtiger Aspekt meiner künstlerischen Ent­scheidungen.

Sie zeigen ein starkes Interesse an Architektur, wie an Ihrem Haus in Los An­geles zu sehen ist. Können Sie diese Faszination näher erläutern?
HUBERT SCHMALIX: Architektur ist für mich eine weitere Form des künstlerischen Ausdrucks. Die Art und Weise der Gestaltung und Struktu­rierung von Räumen beeinflusst unser Empfinden und unsere Interaktion mit der Umgebung. Mein Interesse an Architektur spiegelt meinen Glauben wider, dass alle künstlerischen Disziplinen miteinander verbunden und voneinander inspiriert sind.

Beim Betrachten Ihres künstlerischen Schaffens fällt auf, dass Sie der Landschaft– auch der Natur – einen großen Raum widmen. Woher kommt diese Vorliebe?
HUBERT SCHMALIX: Wenn man meine Werke betrachtet, könnte man denken, ich widme mich intensiv der Landschaftsmalerei. In Wahrheit male ich Landschaften nicht im traditionellen Sinne. Meine Landschaftsbilder sind keine getreuen Abbildungen realer Orte, sondern vielmehr ein Spiegel meiner Seele. Sie sind psychologische Porträts, Ausdruck meines Inneren. In diesen Werken versuche ich, meinen psychischen Zustand zu umschreiben – sie sind eine Art metaphorische Darstellung meiner Gefühlswelt. Dies ermöglicht mir, tiefere emotionale Themen anzusprechen, ohne direkt in die Peinlichkeit einer zu wörtlichen Darstellung zu geraten. Meine Landschaften sind eher symbolische Landschaften meines Geistes.

Sie leben in einem wunderschönen Haus am Mount Washington auf der East Side von Los Angeles. Angesichts Ihrer Landschaftsbilder überrascht es, dass Sie sich sehr oft mit alpinen Landschaften auseinandersetzen. Diese kann man zwar nicht genau lokalisieren, aber unschwer als Ihre österreichische Heimat identifizieren. Was bewegt Sie dazu?
HUBERT SCHMALIX: Alpine Landschaften ziehen mich trotz meines Lebens in Los Angeles in meinen Kunstwerken stark an. Diese Vorliebe mag zunächst überraschen. Sie unterscheiden sich stark von der amerikanischen Landschaft, die mir eigentlich fremd ist. Meine Verbindung zu städtischen Umgebungen und die Distanz zur amerikanischen Natur haben dazu geführt, dass meine Landschaften Kreationen meines Geistes sind. Die von mir erschaffenen alpinen Szenen sind tief in meinen Erinnerungen und meiner Begeisterung für die europäische Landschaftsmalerei der Romantik des 19. Jahrhunderts verwurzelt. Diese Bilder sind nicht nur visuelle Darstellungen, sondern auch ein Stück Heimat, das ich in mir trage.

Und wie sieht es mit der figurativen Malerei aus? Dort konzentrieren Sie sich vor allem auf die einzelne Figur, die sich im Wesentlichen über ihre starken Konturen definiert.
HUBERT SCHMALIX: In meiner figurativen Malerei konzentriere ich mich oft auf einzelne Figuren, die sich vor allem durch starke Konturen definieren. Diese Figuren haben ein tragikomisches Aussehen, was eine bewusste Entscheidung ist. Durch diese Art der Darstellung versuche ich, dem peinlichen Pathos tiefgehender Emotionen zu entgehen. Meine Figuren sind somit nicht nur physische Darstellungen, sondern auch ein Mittel, um emotionale und psychologische Zustände auf eine subtilere und zugänglichere Weise zu kommunizieren. Sie erlauben mir, die Komplexität des Menschseins zu erforschen, ohne in eine zu direkte oder sentimentale Darstellung abzurutschen. In diesem Sinne sind meine Figuren mehr als nur Charaktere auf der Leinwand – sie sind Ausdruck meiner Sicht auf die menschliche Natur und Emotion.

Anfang der 1980er-Jahre galten viele Maler und Malerinnen aus Österreich als Teil der Gruppe »Neue Wilde«. Diese künstlerische Strömung entstand als Antwort auf die stark theoretisch geprägten Kunsttendenzen und Diskussionen der 1970er-Jahre, wobei sie sich durch eine unbeschwerte und den Zeitgeist einfangende Malweise auszeichnete. Könnten Sie beschreiben, wie das »Wilde« in Ihrer künstlerischen Arbeit zum Ausdruck kommt?
HUBERT SCHMALIX: Der Begriff »wild« wurde mir und meinen Zeitgenossen von außen zugeschrieben. Persönlich habe ich mich nie als »wild« im künstlerischen Sinne gesehen. Mein Ansatz ist eher reflektiert und durchdacht – auch wenn ich natürlich Elemente der Spontaneität und Freiheit in meiner Arbeit schätze.

Was planen Sie in Ihrer kommenden Ausstellung im Schlossmuseum in Linz zu zeigen? Was verbindet Sie persönlich und künstlerisch mit Linz?
HUBERT SCHMALIX: Für meine Ausstellung im Schlossmuseum in Linz plane ich, eine Reihe neuer Werke zu zeigen, die bisher noch nicht ausgestellt 9 wurden. Diese neuen Serien haben einen tragikomischen Charakter und repräsentieren meine aktuellen künstlerischen Untersuchungen. Meine Verbindung zu Linz ist stark durch Helmut Fallmann, Sammler meiner Arbeiten, geprägt. Das verleiht der Stadt eine besondere Bedeutung in meinem künstlerischen Leben.

 

Ausstellung

HUBERT SCHMALIX TREMOR
bis zum 26.01.2025

Schlossmuseum Linz
Schlossberg 1, 4020 Linz
T: +43 (0)732 7720 523 00
www.ooekultur.at