von Christian Berst

Josef Hofer (1945) ist zweifellos der weltweit bekannteste zeitgenössische österreichische Art Brut-Künstler.

Was ist das für ein außergewöhnliches Schicksal eines Jungen, der mit einer geistigen und körperlichen Beeinträchtigung geboren wurde und dessen künstlerische Werke nun in die Sammlungen des Musée Pompidou in Paris aufgenommen wurden? Was für ein Werdegang für diesen außergewöhnlichen Künstler, der völlig zurückgezogen auf einem Bauernhof in Oberösterreich aufwuchs und dann in der geschützten Umgebung der Lebenshilfe in Ried-im-Innkreis lebte, bevor die Kunsthistorikerin Elisabeth Telsnig ihn vor 25 Jahren entdeckte und der internationalen Kunstwelt bekannt machte. Handelt es sich hierbei über das künstlerische Abenteuer hinaus nicht auch um ein vielsagendes Beispiel für Inklusion?

Josef Hofer spricht nicht, er kommuniziert aber dennoch laut und deutlich. Seine Sprache ist verständlich, sodass die von ihm dargestellten Körper, die miteinander ringen, sich berühren und aneinanderstoßen, schließlich überraschend vertraut werden. Aber von einer seltsamen Vertrautheit, wie wenn ein Geruch plötzlich vergrabene Erinnerungen aus der Kindheit in uns erweckt.

Ist es dieselbe Vertrautheit, die wir bei der bevorzugten Verwendung von Gelb- und Orangetönen spürten, mit der wir als Kinder das Glühen der Sonne wahrnehmbar machen wollten? Ist es diese Art der Körperdarstellung, zwischen jugendlicher Unbeholfenheit und hoher schöpferischer Reife? Ist es die elementare Kraft des gezeichneten Strichs in Verbindung mit der Transgressivität der Themen?

Ja, Hofer zeichnet sich dadurch aus, dass er ein sofort wahrnehmbares Störfeld schafft, das man unmittelbar erkennt. Jedoch hat sein Stil in mehr als einem Jahrzehnt, so charakteristisch er auch sein mag, tiefgreifende Veränderungen und Entwicklungen erfahren. Ein Beweis dafür, dass diese Künstler - entgegen einer weit verbreiteten Meinung - nicht zur Wiederholung ad libitum verdammt sind.

Josef entwirft Polyptychen, aus denen nichts entweicht, und hält so Schmerz und Vergnügen innerhalb seiner Rahmen fest. Man darf aber nicht vergessen, dass er in seinen frühen Zeichnungen ursprünglich damit begonnen hat, Figuren und Gegenstände schwerelos auf dem weißen Blatt Papier schweben zu lassen. Ohne Angst vor der Leere also. Nun werden die Körper, die früher ganz vom Rahmen eingeengt waren, häufig durch Studien von Akten ersetzt, die träge und erfüllt sind von einer süßen und weichen Mattigkeit. Ganz zu schweigen von den Buchstaben, die den Hintergrund des Blattes füllen und immer häufiger seine berühmte Kartusche ersetzen, in der die Buchstaben von Pepi - seinem Kosenamen - zufällige Sequenzen bilden.

Was das Spiegelstadium betrifft, auf das man ihn zu beschränken glaubte, so lässt er es munter hinter sich, indem er sowohl Egon Schiele als auch Helmut Newton neu interpretiert. Von tumultartigen intimen Szenen bis zu winzigen Unruhen, von subtilen Beobachtungen bis zu gekonnten Dekonstruktionen - Hofer entdeckt ständig Neues. So wie man sich einen Weg durch seine Gefühle bahnen würde. Mit Demut und Meisterschaft.

Josef Hofer ist fast 80 Jahre alt und wird von Sammlern und Institutionen bereits als »Klassiker« der Art Brut angesehen. Davon zeugen die beiden seltenen monografischen Ausstellungen, die ihm in der Collection de l'Art Brut in Lausanne gewidmet wurden, und die zahlreichen Publikationen, die über ihn erschienen sind. Außerdem ist er bei Sammlern zeitgenössischer Kunst genauso beliebt, wenn nicht sogar noch beliebter als bei Liebhabern der Art Brut. Ein Zeichen für die Universalität eines Werks, das sowohl zur Versöhnung als auch zur Grenzüberschreitung einlädt. Genau in diesem Sinne ist auch seine Ausstellung bei Monika Perzl in der Galerie Am Stein zu verstehen, wo sich Künstler begegnen, die sich nicht in bequeme Kategorien einordnen lassen.

 

Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen.
 

Aktuelle Ausstellung:

JOSEF HOFER
30.Juni – 28. Oktober 2023
GALERIE AM STEIN MONIKA PERZL
Stift Reichersberg
Hofmark 1
4981 Reichersberg
0043 664 4352268
www.galerieamstein.at