Ein Besuch im Studio Comploj in Wien

Glas – ein Werkstoff, dessen Geschichte so alt ist wie die Zivilisation selbst. Seine Ursprünge liegen im Nebel der Antike, irgendwo zwischen Mesopotamien, Ägypten und der Levante-Küste. Archäologen fanden in Ägypten und dem östlichen Teil Mesopotamiens die ersten Glasperlen, die auf das Jahr 3500 vor Christus datiert werden. Was einst zufällig als farbige Glasur entstand, entwickelte sich über Jahrtausende zu einem Material, das die Fantasie von Kreativ- und Kunstschaffenden gleichermaßen beflügelt. Phönizische Kaufleute und Schiffer verbreiteten die Kunst der Glasherstellung im gesamten Mittelmeerraum und bald schon prägten Glasobjekte das Alltagsleben und die Kunst in den antiken Kulturen. Diese Kunstform, die im Römischen Reich mit der Erfindung der Glasbläserei ihren Höhepunkt erreichte, hat bis heute nichts von ihrer Faszination eingebüßt.

 


Robert Comploj im Gespräch mit stayinart. Foto: Matthias Heschl

 

Doch Glas ist mehr als nur ein Medium. Es ist eine Herausforderung: ein Spiel zwischen Hitze und Zerbrechlichkeit, zwischen Handwerk und Kunst. Kaum jemand versteht dieses Wechselspiel so gut wie der Glasbläser Robert Comploj. In seinem neuen Atelier in Wien führt er uns in eine Welt, in der sich das uralte Handwerk mit zeitgenössischer Kunst zu einzigartigen Skulpturen und Installationen verbindet.

DIE ALCHEMIE DES GLASES
Betritt man das Atelier von Robert Comploj im 18. Wiener Bezirk, wird man sofort von der Ruhe und Kreativität des Ortes eingenommen. Große Bäume und eine weitläufige Wiese umgeben das Atelier und schaffen eine Oase der Inspiration mitten in der Stadt. Hier, in diesem Innenhof, findet Robert die Freiheit, die er für seine Arbeit braucht. »Ich bin angekommen. Für mich ist das hier der schönste Ort zum Arbeiten«, erzählt er im Gespräch. »Es ist eigentlich der kraftvollste Ort auf meiner bisherigen Reise und wir fühlen uns sehr wohl hier.« Glas – ein Werkstoff, dessen Geschichte so alt ist wie die Zivilisation selbst. Seine Ursprünge liegen im Nebel der Antike, irgendwo zwischen Mesopotamien, Ägypten und der Levante-Küste. Archäologen fanden in Ägypten und dem östlichen Teil Mesopotamiens die ersten Glasperlen, die auf das Jahr 3500 vor Christus datiert werden. Was einst zufällig als farbige Glasur entstand, entwickelte sich über Jahrtausende zu einem Material, das die Fantasie von Kreativ- und Kunstschaffenden gleichermaßen beflügelt. Phönizische Kaufleute und Schiffer verbreiteten die Kunst der Glasherstellung im gesamten Mittelmeerraum und bald schon prägten Glasobjekte das Alltagsleben und die Kunst in den antiken Kulturen. Diese Kunstform, die im Römischen Reich mit der Erfindung der Glasbläserei ihren Höhepunkt erreichte, hat bis heute nichts von ihrer Faszination eingebüßt.

Das Atelier ist nicht nur ein Arbeitsplatz, sondern auch ein Ort des Austauschs und der Begegnung. Veranstaltungen, Produktpräsentationen und  Vernissagen bringen Leben auf diese kreative Insel. »Die Menschen, die nach Wien reisen, um mich zu besuchen, mögen diese angenehme Hinterhofatmosphäre; auch die Künstler, mit denen ich arbeite«, erklärt Comploj. Die österreichische Glasbläserszene ist überschaubar und Robert sticht mit seiner Leidenschaft für das künstlerische Experiment und dem tiefen Verständnis für das Material heraus. Er geht sogar noch einen Schritt weiter: »Es reizt mich, das Material an seine Grenzen zu bringen.« Damit meint der gebürtige Tiroler, dass er sich durchwegs außerhalb der Komfortzone klassischer Glasbläserei bewegt und sich von den Elementen treiben lässt: »Ich arbeite organisch mit dem Glas, gebe ihm viel Freiraum, um sich zu zeigen. Dazu gehört auch, dass ich mich zurücknehme und die Hauptrolle dem Glas selbst überlasse.« Robert Comploj lässt das Glas fließen, spielt mit dem Licht und der Spiegelung des Materials, schafft – ähnlich einem Alchemisten – ideale Rahmenbedingungen, um die Eigenschaften des Materials entsprechend reagieren zu lassen, damit etwas »Edles« daraus entstehen kann.

 

Beim Besuch im Studio Comploj dürfen wir Robert Comploj bei der Arbeit zusehen. Meisterhaft zähmt er das flüssige Feuer. Fotos: Matthias Heschl


KUNST UND HANDWERK: EINE UNTRENNBARE VERBINDUNG
Die Arbeiten von Robert Comploj stehen exemplarisch für die Verschmelzung von Kunst und Handwerk. »Unsere Objekte sind Kunstwerke, die nur über Handwerk realisierbar sind. Das heißt, wir können die künstlerische Vision nicht materialisieren, ohne das Handwerk zu beherrschen«, betont er. Diese Symbiose ist im Glas besonders ausgeprägt, denn es erfordert ein spezifisches technisches Verständnis und eine präzise Handhabung. »Glas ist so komplex und anspruchsvoll, dass man zuerst das Handwerk perfekt beherrschen muss, um überhaupt Objekte und Skulpturen herzustellen«, so Comploj weiter. Die Faszination für Glas liegt für ihn in der Vielfalt der Möglichkeiten, die dieser Werkstoff bietet. »Im Glas habe ich unendlich viele Möglichkeiten – sei es im Flachglas, geblasen, geschliffen oder verschmolzen. Das ist quasi unendlich. Und das fasziniert mich am Werkstoff Glas«, erzählt er. Doch gleichzeitig stellt Glas hohe Anforderungen an den Künstler: »Glas ist sehr schwierig zu bearbeiten. Es ist technisch sehr anspruchsvoll und zerbricht leicht, weil es sehr filigran ist.«

»Unsere Objekte sind Kunstwerke, die nur über Handwerk realisierbar sind. Das heißt, wir können die künstlerische Vision nicht materialisieren,  ohne das Handwerk zu beherrschen.«  Robert Comploj

DER PROZESS: VON DER IDEE ZUR SKULPTUR
Der Weg von der Idee zum fertigen Objekt ist bei Robert Comploj ein kontinuierlicher, kreativer. Alles beginnt mit Skizzen und kleinen  Modellen, bevor er zur eigentlichen Arbeit am Ofen übergeht. »Mit flüssigem Glas werden die Einzelteile entwickelt, kreiert und dann abgekühlt. Im kalten Zustand werden sie nachgearbeitet, zusammengesetzt und weiterbearbeitet«, beschreibt er seinen Schaffensprozess. Dieser iterative Ansatz ermöglicht es ihm, die Eigenschaften des Glases optimal zu nutzen und seine kreativen Visionen in die Realität umzusetzen. Doch dabei ist vor allem Schnelligkeit gefragt: »Wir müssen im Moment handeln und haben keine Zeit, im Prozess zu überlegen, um Entscheidungen zu treffen. Man muss seiner Intuition vertrauen und den Mut haben, im Affekt zu handeln.« Ein zentraler Aspekt seiner Arbeit ist die enge Zusammenarbeit mit anderen Kunstschaffenden. Robert Comploj hat im Laufe der  Jahre zahlreiche Kollaborationen mit zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern wie Nives Widauer, Susanne Fritsche, Christine Lederer, Michela Ghisetti und Hubert Schmalix realisiert. Besonders inspirierend empfindet er die Zusammenarbeit mit Thomas Schönauer, einem Bildhauer und Maler. »Thomas ist ein inspirierender Mensch und ein Mentor für mich«, erzählt Robert. Unter dem Titel »Glass – Cultivator« formen der »Engineering Artist« und der »Glassblower« ihre Vision zu strahlenden und überdimensionalen Skulpturen. Die Experimentierfreudigkeit ist schier grenzenlos. »Kollaborationen sind für mich sehr wichtig, weil der Dialog mit anderen Künstlern bereichernd ist und neue Ideen entstehen lässt. Das Suchen nach Lösungen fördert immer wieder Unglaubliches zutage.«

DIE ZUKUNFT DES GLASES IN DER ZEITGENÖSSISCHEN KUNST
Obwohl Glas als Werkstoff in der zeitgenössischen Kunst eine große Rolle spielt, ist die Ausbildung in diesem Bereich in Österreich begrenzt. »In Österreich gibt es keine Ausbildungseinrichtung mehr, keine Universitäten oder Schulen, die wirklich an dem arbeiten«, bedauert Comploj. Doch er ist sich sicher, dass die Zukunft des Glases groß ist: »Ich bin überzeugt, dass die Zukunft des Glases erst angefangen hat.« Robert Complojs Arbeiten sind ein lebendiger Beweis dafür, dass Glas auch im 21. Jahrhundert nichts von seiner Magie und seinem künstlerischen Potenzial verloren hat. In seinen Händen wird das jahrtausendealte Material zu einem Medium, das ebenso viel Raum für künstlerische Innovationen bietet wie neue Medien. Sein Atelier in Wien ist ein Ort, an dem die Geschichte des Glases fortgeschrieben wird – ein Ort, an dem Handwerk und Kunst auf beeindruckende Weise zu Objekten verschmelzen.